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Zeichnung einer nach oben gereckten geballten Faust.

Kollektive Selbstwirksamkeit – Eine Antwort auf die psychischen Folgen des Klimawandels

Wenn die Temperaturen steigen und über lange Zeit anhalten, wenn die Nächte in den Städten nicht mehr die erhoffte Kühlung bringen, wenn lange Trockenperioden die Ernte bedrohen, Extremwetterlagen Hochwasser und Flutkatastrophen auslösen, ausbleibender Schnee zu trockenen Flüssen führt – dann spüren wir direkt die Auswirkungen des sich wandelnden Klimas. Das Vertrauen in die Stabilität des konkreten Lebensumfeldes nimmt ab. Was uns vor wenigen Jahren noch weit weg erschien, ist durch Extremwetterlagen auch bei uns vor Ort spürbarer geworden.

Solastalgie beschreibt die schmerzvolle Erkenntnis, dass der eigene Lebensraum verletzt und zerstört wird. Sie umfasst Gefühle von Verlust, Trauer und starkem negativem Stress.

Ängste, Hilflosigkeit und Sorgen sind natürliche Reaktionen auf die wahrgenommenen Veränderungen. Die Angst vor aktuellen und zukünftigen Veränderungen wird auch als Eco-Anxiety (Öko-Angst) beschrieben, sie ist antizipativ. Andere nehmen die Klimaveränderungen mit einem Blick zurück wahr. Solastalgie beschreibt die schmerzvolle Erkenntnis, dass der eigene Lebensraum verletzt und zerstört wird. Sie umfasst Gefühle von Verlust, Trauer und starkem negativem Stress. Aus Forschungen in den USA ist bekannt, dass nach Extremwetterereignissen posttraumatische Belastungsstörungen, Depressionen, Angst und ein Abfall der psychischen Lebensqualität auftreten. Extremwetterlagen wirken sich auf die Lebensgrundlagen Gesundheit, Wohnen, Arbeiten und finanzielle Sicherheit aus und lösen indirekten psychischen Stress aus.

„Angst ist ein Gefühl, das auf ein dahinterliegendes Bedürfnis hinweist“, erklärt Katharina von Bronswijk, Psychotherapeutin und eine der Sprecher*innen der Psychologists for Future. Sie beschreibt die Angst als eine normale Reaktion auf eine bedrohliche Lage, die zugleich auf ein Bedürfnis hinweist: „Hier geht etwas richtig schief und wir müssen dringend etwas tun.“

Die Frage, wie wir nachhaltige Antworten auf die Veränderungen finden und uns individuell und gemeinschaftlich auf Handlungsziele verständigen, um den Klimawandel aufzuhalten oder wenigstens abzumildern, ist nicht einfach zu beantworten. Die multifaktoriellen Veränderungen sind sehr komplex, hängen dynamisch zusammen und sind nicht einfach zu durchschauen.

Die gute Nachricht: Menschen sind soziale und kooperative Wesen, lernfähig und in der Lage, auf Krisen zu reagieren. Katharina von Bronswijk drückt es so aus: „Resilienz entsteht in der Krise.‘‘ Es braucht die individuelle und die kollektive Resilienz. Zur individuellen Resilienz gehört, die Sinnhaftigkeit des Tuns im eigenen Leben zu spüren. Unser derzeitiger Lebenskontext macht es uns individuell zwar unmöglich, zu 100 Prozent klimaneutral zu sein, wir haben gleichwohl zahlreiche Stellschrauben, klimabewusster zu leben. Dazu gehören auch soziale, kooperative Beziehungen, um im Austausch unterstützt zu sein, um gemeinsam das Handeln gegen den Klimawandel voranzubringen und in den lokalen Bezügen Veränderungen einzufordern.

Die Erfahrung kollektiver Selbstwirksamkeit ist eine unterschätze Kraft für Veränderungen. Es braucht eine gesellschaftliche Gruppe, die eine „neue Geschichte“ schreibt, die sogenannte kritische Masse der Gesellschaft, die sich deutlich engagiert, um einen social tipping point zu erreichen, der größere gesellschaftliche Veränderungen ermöglicht. Auf der kollektiven Ebene geht es um die Veränderungen der Infrastruktur: Mobilität, Energie, Ressourcennutzung, Arbeitswelt. Es geht um Klimabildung und Forschung, um Zukunftskonzepte zu entwickeln, die einen Wechsel der Paradigmen forcieren – weg vom Konzept des wirtschaftlichen Wachstums als einzigem Garant für Lebensqualität.