Rückblick auf das Zukunftsforum 2025
Wie lässt sich die Selbsthilfe stärker im Gesundheitswesen verankern? Wo und wie kann noch deutlicher auf die Selbsthilfe verwiesen werden und welchen Beitrag können die verschiedenen Ebenen der Selbsthilfe dazu leisten? Mit diesen und vielen weiteren Fragen beschäftigten sich am 7. November rund 45 Teilnehmende beim Zukunftsforum 2025 in Kiel. Eingeladen hatten die Selbsthilfe-Akademie Schleswig-Holstein sowie die Projektpartner*innen der AOK NordWest und der PARITÄTISCHE Schleswig-Holstein.
Die Selbsthilfe lebt von Zusammenarbeit
Von Beginn an war die Atmosphäre offen und lebendig: Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen, Selbsthilfe-Aktive aus Gruppen, Kontaktstellen und Organisationen sowie Interessierte kamen zusammen, um sich auszutauschen, mit- und voneinander zu lernen und die Zukunft der Selbsthilfe zu gestalten. Neben bekannten Gesichtern waren auch viele neue Teilnehmende dabei – ein schönes Zeichen dafür, dass das Thema Menschen bewegt.
Nach einem kurzen und herzlichen Grußwort von Ivy Wollandt vom PARITÄTISCHEN S-H und der Begrüßung durch Janna Hansen, Projektleitung der Selbsthilfe-Akademie S-H, stimmte der einführende Vortrag von Ines Krahn aus dem Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen auf den Tag ein.
Ines Krahn stellte in ihrem Vortrag „Kooperationen mit der Selbsthilfe in Gesundheitseinrichtungen“ das Netzwerk vor und unterstrich das große Potenzial von Kooperationen:
„Die Zusammenarbeit mit der Selbsthilfe fördert das patientenorientierte Handeln von Gesundheitseinrichtungen!“ - Ines Krahn
Zudem gab sie den Teilnehmenden einen ersten Einblick in die aktuell laufende KoReS Studie ("Kooperation mit der Selbsthilfe in Rehaeinrichtungen"), die in Kooperation mit dem UKE Hamburg durchgeführt wird. Die Ergebnisse der Studie sollen 2026 veröffentlicht werden.
Im Foyer lud den ganzen Tag über eine große Kreativwand dazu ein, eigene Visionen und Wünsche zur Zukunft der Selbsthilfe im Gesundheitssystem zu teilen. Unter der Frage „Wo und wie soll die Selbsthilfe verankert sein?“ kamen kleine und große Ideen zusammen.
Austausch und gemeinsames Lernen
In drei parallel stattfindenden Workshops setzten sich die Teilnehmenden mit konkreten Fragen rund um die Zukunft der Selbsthilfe im Gesundheitssystem auseinander. Die Workshops fanden am Vormittag und am Nachmittag statt. So hatten alle die Chance, sich mit zwei unterschiedlichen Themen intensiver zu beschäftigen.
Die gemeinsame Mittagspause bot zwischendurch Raum für Austausch und Vernetzung – begleitet von dem Gefühl: Selbsthilfe ist Miteinander.
Der Workshop von Dr. Gabriele Seidel von der Patientenuniversität an der Medizinischen Hochschule Hannover fokussierte sich darauf, wie sich Patient*innen gut auf ein Gespräch mit Ärzt*innen vorbereiten können. Damit das eigene Anliegen verständlich und überzeugend vermittelt werden kann, ist ein sicheres Auftreten ebenso wichtig wie eine klare Zielvorstellung. Beides kann helfen, Sicherheit zu gewinnen und das Gespräch sinnvoll zu strukturieren. Dr. Gabriele Seidel ermöglichte den Teilnehmenden, zwei hilfreiche Methoden aus ihrem 'Werkzeugkoffer Kommunikation' auszuprobieren: das Formulieren von Ich-Botschaften sowie das Festlegen von Zielen nach den fünf SMART-Kriterien.
Im Workshop von Ines Krahn vom Netzwerk Selbsthilfefreundlichkeit und Patientenorientierung im Gesundheitswesen wurde deutlich: Kooperation entsteht, wenn Gruppen bewusst entscheiden, sie zu wollen, ihre Stärken kennen und sich von erfolgreichen Beispielen anstecken lassen. Zentral ist Kommunikation – als Klärung von Zielen, Rollen und Verbindlichkeit. Kooperation braucht Multiplikator*innen in Einrichtungen und zusätzliche Partner*innen wie Kontaktstellen. Entscheidend ist auch die Haltung der Beteiligten: Das Wissen um die eigene Relevanz, die Offenheit für längere Prozesse und Ausdauer bei Widerstand.
Im Workshop mit dem Kommunikationsexperten Dr. Hartwig Eckert arbeiteten die Teilnehmenden an ihrer Außenwirkung. Denn Aktive in der Selbsthilfe vertreten nicht nur ihre eigenen Anliegen, sondern sind zugleich Multiplikator*innen für die Selbsthilfe und ein wichtiges Sprachrohr auf verschiedenen Ebenen. Im Workshop standen daher die eigene Stimme und das persönliche Auftreten im Vordergrund. Welche Wirkung habe ich – wie klingt meine Stimme und wie kommt das, was ich sage, bei anderen an? Und wie gelingt es, die eigene Stimme auch in aufgeregten Situationen zu halten? Die Teilnehmenden konnten praktische Erfahrungen sammeln und von offenem, wertschätzendem Feedback untereinander profitieren.
Ein Abschluss mit viel Hoffnung für die Zukunft
Auch die Gastgeberinnen traten nochmal ans Mikrofon. Janna Hansen und Hanna Fuchs von der Selbsthilfe-Akademie S-H stellten den neuen Schwerpunkt ihrer Arbeit vor: Die Selbsthilfe in der medizinischen und sozialen Lehre verankern.
Das Projekt der Selbsthilfe-Akademie Schleswig-Holstein hat das Ziel, die Selbsthilfe dauerhaft in der medizinischen und sozialen Lehre platzieren. Durch gemeinsame Lehrformate und Begegnungen zwischen Studierenden, Auszubildenden und Selbsthilfe-Aktiven sollen angehende Fachkräfte frühzeitig die Bedeutung der Selbsthilfe kennenlernen und verstehen, wie wertvoll das Erfahrungswissen von Selbsthilfe Aktiven im Gesundheitswesen ist. So werden zukünftige Fachkräfte für die Lebenssituationen von Menschen mit chronischen Erkrankungen, Behinderungen oder psychischen Belastungen sensibilisiert.
Alle Hintergrundinformationen zu dem neuen Förderschwerpunkt finden Sie auch hier auf unserer Webseite.
Anschließend blickte Birgitt Uhlen-Blucha, Leitung des Fachbereichs Selbsthilfe im PARITÄTISCHEN S-H, in ihrem Beitrag auf viele Jahre intensiver Arbeit zurück. Birgitt Uhlen-Blucha, die im Februar 2026 in den Ruhestand gehen wird und die Selbsthilfe-Akademie S-H von Beginn an mit aufgebaut hat, appellierte nochmal an die Anwesenden:
"Wir, als Aktive aus der Selbsthilfe müssen uns unserer Kompetenzen und der Bedeutung der Selbsthilfe in der Gesellschaft und im medizinischen System bewusst werden. Mit Selbstbewusstsein, Beharrlichkeit und guter Vernetzung kann die Selbsthilfe gestalten. Menschen lassen sich mitnehmen." - Birgitt Uhlen-Blucha
"Ein Zukunftsmärchen"
Zum Abschluss begeisterte Michelle Boschet mit einem Poetry Slam über "ein Zukunftsmärchen“. Entstanden ist ein poetischer, humorvoller und zugleich berührender Blick auf das, was Selbsthilfe ausmacht.
Ein Auszug:
„Wissen Sie“, beginnt die Dame erneut.
„Ich bin nicht hoffnungslos,
nur weil ich alt bin.
Ich will nicht sterben,
nur weil‘s vielleicht Zeit wär.
Ich will den Krebs verjagen,
vielleicht nochmal reisen,
aber an manchen Tagen,
wird mir einfach klar,
dass ich das alles
allein trage.
Ich will ja niemandem Krebs abgeben,
bin ja nicht verrückt,
aber jemand, der in meiner Situation
schon einmal war -
das fänd ich nett.“
Den vollständigen Text finden Sie hier auf unserem Blog.
Viele Teilnehmende nutzten den Ausklang des Zukunftsforums bei Kaffee und Kuchen für weitere Gespräche und zum Vernetzen. Mit vielen Anregungen und einem offenen Miteinander entstanden an diesem Tag wertvolle Impulse für die weitere Entwicklung der Selbsthilfe.